Ist Bio-Palmöl besser?

Palmöl findet sich inzwischen in jedem zweiten Supermarktprodukt. Rund 90 Prozent der Welternte kommen aus Indonesien und Malaysia. Dort frisst sich eine Feuerwalze durch den Regenwald, die gewaltige, sogar aus dem Weltraum sichtbare Rauchwolken aufsteigen lässt. Der Verbrauch von Palmöl nimmt stetig zu; die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass 2030 doppelt so viel angebaut werden wird wie heute (vgl. unsere ausführliche Recherche zum Thema: Schmutziges Öl). Was aber ist mit Bio-Palmöl? Gibt es überhaupt umwelt- und sozialverträgliches Palmöl?

Gudrun Kaspareit von naturwelt.org bringt es auf den Punkt: „Fast jeder Verarbeiter von Palmöl beschwört, dass sein bezogenes Palmöl aus nachhaltigem Anbau stammt.“ Das ist allerdings unmöglich: Rund 90 Prozent der konventionellen Produktion stammen aus Malaysia und Indonesien, wo riesige Urwaldflächen gerodet werden, um die weltweite Nachfrage zu befriedigen. Etwa eine Million Tonnen Palmöl importiert Deutschland pro Jahr, gut 70 Prozent davon gehen als Zutat an die Lebensmittelindustrie. Der Bio-Anteil an der weltweiten Palmöl-Ernte beträgt gerade einmal 0,1 Prozent.

RSPO: Grüner Anstrich für schmutziges Öl

Wenn Ende 2014 die EU-Verordnung in Kraft tritt, die vorschreibt, dass Palmöl in weiterverarbeiteten Nahrungsmitteln gekennzeichnet werden muss, wird die Nachfrage nach als nachhaltig zertifiziertem Palmöl seitens der Industrie steigen. Diese wird, aus Kostengründen und schon allein aufgrund des zur Verfügung stehenden begrenzten Angebots, weniger auf Bio-Palmöl, sondern zuvorderst auf durch den Round Table of Sustainable Palmoil (RSPO) zertifiziertes Öl zurückgreifen. Seit 2004 wird mittels des RSPO seitens der Industrie und der Zivilgesellschaft versucht, die Produktion und die Weiterverarbeitung von nachhaltigem Palmöl zu fördern.[1] Inzwischen hat sich gezeigt: Die Vorgaben lassen genügend Schlupflöcher, um mit der gängigen Praxis fortzufahren. Die Umwelt- und Naturschutzorganisation Robin Wood urteilt: „De facto verleiht der RSPO dem schmutzigen Palmöl einen grünen Anstrich!“ Diese Haltung teilen 255 weitere Umweltorganisationen weltweit. Der Round Table selbst gibt zu: „Der RSPO ist bei der Umsetzung der Prinzipien und Kriterien abhängig vom guten Willen der Unternehmen und der lokalen Regierungsbehörden.“[2]

Die am 20. Mai von Brot für die Welt und der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) veröffentlichte Studie Nachhaltiges Palmöl – Anspruch oder Wirklichkeit? kommt zum Schluss: „Eine Vielzahl von Quellen belegt, dass selbst zertifizierte Unternehmen die Kriterien des RSPO nur unzureichend oder gar nicht einhalten“, und hält fest: „Mit der Initiative des RSPO ist zwar ein erster kleiner Schritt in Richtung verantwortungsvolle und nachhaltige Palmölproduktion getätigt worden. Jedoch sind Brot für die Welt und die Vereinte Evangelische Mission der Meinung, dass ein Zertifizierungssystem, das seinen Kunden Nachhaltigkeit verspricht, deutlich strengere Kriterien benötigt.“

Bei durch den RSPO zertifiziertes Öl handelt es sich zum größten Teil um konventionelles Öl, das auch unter Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden produziert wird. Doch wie steht es denn nun mit dem Angebot an Bio-Palmöl?

Nachhaltig und sozialverträglich: Palmöl aus Kooperativen

Wir wollen nicht in Abrede stellen, dass es kleine Kooperativen gibt, in denen Palmöl nachhaltig und sozial verträglich produziert wird. So hat GEPA einen Handelspartner in Ghana gefunden, der die Kriterien des fairen Handels und die EU-Standards für ökologischen Landbau erfüllt. Hierzu heißt es bei dem Unternehmen: „Bisher haben wir Bio-Palmöl verwendet, das den Standards des ,Round Table for Sustainable Palm Oil‘ (RSPO) genügte. Diese Standards waren uns jedoch nicht genug und sind zudem umstritten. […] Seit September 2012 verarbeiten wir das Palmfett von Serendipalm in unseren Schoko-Riegeln und Cookies. Die GEPA wird dann Schritt für Schritt sämtliche Produkte, die Palmöl enthalten, mit dem fair gehandelten Bio-Palmöl aus Ghana herstellen lassen.“ Aber: Es gibt momentan schlichtweg nicht genug solche Kooperativen, dass damit überhaupt nur der Bedarf der Bio-Hersteller, die Palmöl verwenden, gedeckt werden könnte. In über 500 Bioprodukten ist Palmöl enthalten – und entsprechend den Bio-Standards soll all das dafür benötigte Öl nachhaltig und sozialverträglich produziert worden sein… Kann das überhaupt stimmen?

Bio-Palmöl kommt nicht aus Südostasien, sondern fast ausschließlich aus Südamerika und wird zum allergrößten Teil von zwei ursprünglich rein konventionell erzeugenden Palmölproduzenten, die Anfang der 1990er-Jahre auch mit dem Öko-Anbau begannen, hergestellt: Daabon in Kolumbien und Agropalma in Brasilien.

Der Fall Daabon

Daabon ist mit einem Anteil von 70 Prozent der größte Bio-Palmöl-Lieferant der Welt. Die Firma bewirtschaftet ihre Plantagen inzwischen ökologisch, betreibt aber gleichzeitig eine konventionelle Biodiesel-Raffinerie – rund 40 Prozent der Palmöl-Ernte gehen in Diesel-Tanks. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen trugen in den letzten Jahren Fakten zusammen, die auch im Rahmen von ökologischer Landwirtschaft angebautes Palmöl, vor allem jenes der Firma Daabon, in einem negativen Licht erscheinen ließen. Das Ergebnis war ein kritischer ARD-Bericht über Ölpalmen-Anbau und Landvertreibung, die den Gutsbetrieb Las Pavas in der kolumbianischen Region Süd-Bolivar betraf. Der Bericht wurde im März 2010 ausgestrahlt. Daabon wurde beschuldigt, mitverantwortlich an der unrechtmäßigen Vertreibung von Bauern, an Umweltverschmutzung und an Hochwassergefährdung benachbarter Siedlungen durch die Errichtung von Dämmen zu sein. Rettet den Regenwald e.V. erhob im Mai 2010 schwere Vorwürfe: Da freie Landflächen kaum vorhanden seien, würden trotz der Öko- und Fair Trade-Siegel von Daabon bestehende Landnutzungen verdrängt, Menschen vertrieben, kostbares Trinkwasser vergeudet, das karibische Meer verschmutzt und Regenwald abgeholzt. Unternehmen wie The Body Shop haben ihre Geschäftsbeziehungen zur Unternehmensgruppe Daabon damals gekündigt, doch viele Bio-Anbieter beziehen ihr Palmöl nach wie vor von Daabon – obwohl etwa Alnatura zugeben musste, dass das Verhalten einer Tochterfirma mit Daabon-Beteiligung in augenfälligem Kontrast zu nachhaltigen, umweltfreundlichen und sozial verantwortlichen Produktionsstandards stehe;[3] das Handelsunternehmen appellierte in seinem Abschlussbericht zur Untersuchung der Vorkommnisse in Las Pavas, die im Bio- Anbau eingehaltenen Standards bei Produktion, Landnutzung und im sozialen Bereich „sollten firmenweit landesweit in den Firmenstrukturen von DAABON umgesetzt werden, um nach außen hin eine konsistentes Bild hinsichtlich der Verantwortung für die Umwelt zu vermitteln.“[4]

Fest steht: Im Jahr 2009 war Daabon beteiligt, als 500 Menschen aus der Siedlung Las Pavas vertrieben wurden. Ende 2012 gewannen die Bewohner der Siedlung den Landrechtsstreit gegen das Palmöl-Unternehmen. Zwar hat sich Daabon aufgrund des öffentlichen Drucks von der Siedlung zurückgezogen, diese allerdings einem anderen Palmölproduzenten überlassen. Obwohl ein Gericht in Sinne der Bauern urteilte, geht der Landkonflikt zwischen Palmölindustrie und Kleinbauern bis heute weiter. Die Bauerngemeinschaft in Las Pavas ist dabei immer wieder mit Aggressionen konfrontiert, seit Mitte September 2013 wurde sie etwa vermehrt Opfer von Brandstiftung. Und: Las Pavas ist kein Einzelfall, sondern nur einer der letzten aus einer ganzen Reihe von Skandalen bei Daabon. So ließ das Unternehmen beispielsweise Jahr 2009 illegal Regenwald für eine Bananenplantage brandroden.

Rettet den Regenwald e.V. führt folgende weitere Vorkommnisse auf:

Enormer Wasserverbrauch: Ölpalmen benötigen zum Gedeihen große Mengen an Wasser, weshalb die Plantagen von Daabon bewässert werden. Dafür wird neben Oberflächengewässern und dem Bau von Wasserkanälen aus den umliegenden Bergen auch das Grundwasser übermäßig angezapft. Als Folge davon sinken die Wasserspiegel, die Böden versalzen, und für die Bevölkerung bleibt kaum etwas von dem vitalen Nass übrig.

Skandal um Gelder aus einem Entwicklungsfond für Kleinbauern: Ende September 2009 verursachte Daabon einen politischen Skandal: Die Firmengruppe hatte zur Bewässerung der Plantagen umgerechnet 450.000 Euro vom staatlichen Entwicklungsfond für Kleinbauern „Agro Ingreso Seguro“ erhalten. Dies widersprach eindeutig den Zielen des Fonds, Kleinbauern zu fördern.

Palmöl-Unglücke im karibischen Meer: Die Daabon-Tochterfirma Terlica im Hafen von Santa Marta betreibt Palmöl-Tanks und Verladeeinrichtungen, über die das Palmöl zum Export auf Schiffe verfrachtet wird. Im April 2008 und August 2009 kam es gleich zu zwei schweren Palmöl-Unfällen. Hunderte Tonnen strömten aus – bis ins karibische Meer. Kilometerlang waren das Meer, Buchten, Korallenriffe, Felsen und Strände mit dem Öl bedeckt.

Bau der größten Palmöldieselraffinerie Lateinamerikas: Nicht weit vom Unglücksort entfernt weihte Daabon im Februar 2009 feierlich die nach eigenen Angaben größte Biodieselraffinerie für Palmöl Lateinamerikas ein. Insofern ist die Behauptung einiger Bio-Produzenten, dass die Produktion von Diesel aus Palmöl-Früchten nicht mit dem ökologischen Landbau zusammenhänge, nicht korrekt. Daabon selbst macht über die Herkunft des Palmöls für die Produktionskapazität von 100.000 Tonnen Biodiesel und 10.000 Tonnen Glyzerin keine Angaben. Die Behauptungen Daabons, nur „Minderheitsaktionär“ an der Firma zu sein und „überschüssiges Palmöl von existierenden Palmöl-Produzenten in der Region“ aufzukaufen, entsprechen nicht der Realität. Mit dem durchschnittlichen Flächenertrag von Palmöl im nördlichen Anbaugebiet von 3,2 Tonnen im Jahr 2008 lässt sich allein für die Biodieselraffinerie eine benötigte Ölpalm-Anbaufläche von 36.000 Hektar errechnen.

Rettet den Regenwald e.V. kommt zu folgendem Fazit: „Die Palmöl-Industrie in Kolumbien steht seit Jahren wegen schwerer Menschenrechtsverbrechen und Regenwaldrodung am Pranger. Auch Daabon bildet hier keine Ausnahme. Die gewaltsame Vertreibung der Kleinbauernkooperative, Rodungen und die Trockenlegung wertvoller Feuchtgebiete in Las Pavas entsprechen weder den Kriterien von fairem Handel noch ökologischer Landwirtschaft. Auch die sonstigen Aktivitäten und Praktiken der Daabon-Gruppe sind damit nicht vereinbar.“

Agropalma

Agropalma bewirtschaftet insgesamt 39 .000 Hektar Plantagen; auf 4.153 Hektar wird bio-zertifiziertes Palmöl produziert. Auf seiner Website behauptet das Unternehmen, im Jahr 2001 zum letzten Mal Wald für Plantagen gerodet zu haben. Ein schaler Beigeschmack bleibt, denn das Unternehmen war vor sechs Jahren maßgeblich an den Bemühungen der Agrobusiness-Lobby beteiligt, das brasilianische Waldschutzgesetz zu ändern. Im sogenannten Código Florestal war 1965 festgelegt worden, dass Landbesitzer in Amazonien lediglich 20 Prozent ihres Regenwaldbesitzes legal abholzen dürfen; der Rest müsse als Waldreservat, Reserva Legal genannt, erhalten bleiben. Agropalma-Direktor Marcelo Amaral Brito bezeichnete das Gesetz als ein Investitionshindernis und meinte: „Kennen Sie jemanden, der ein Apartment mit fünf Zimmern kauft, aber nur eines nutzen darf?“ Die 2008 durch das Drängen der Lobby auf den Weg gebrachte Gesetzesänderung bedeutet faktisch, dass Palmöl-Produzenten nicht mehr nur 20, sondern 50 Prozent der Fläche legal abholzen dürfen. In einem Zeitungsartikel zum Thema hieß es damals: „Der Hauptprofiteur der geplanten Änderung des Código Florestal sitzt in Pará, wo 2005 Präsident Lula Brasiliens erste Biodieselfabrik auf Basis von Palmöl einweihte: Die Gruppe Agropalma in Tailândia, Lateinamerikas größter Palmölproduzent.“

Fazit: Nach Möglichkeit auf Palmöl verzichten

Die Studie von Brot für die Welt und der VEM kommt, was Palmöl angeht, welches das europäische Bio-Siegel trägt, lediglich zum Schluss: „Aus ökologischer Sicht ist die Biozertifizierung ein Vorteil, da sie den Einsatz von Pestiziden untersagt, was die biologische Vielfalt der Plantagen sowie die Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter schützt.“ Geht es um Ansätze, die darüber hinausgehen, die umwelt- und sozialverträgliche Anbaumethoden mit kleinbäuerlicher Landwirtschaft fördern und transparente Vermarktungswege aufbauen, so benennt die Studie gleich das Problem, das damit einhergeht: „Allerdings werden bisher nur sehr geringe Mengen umgesetzt.“[5]

Martina Bacher, die das Portal Umweltblick betreibt, meint dazu uns gegenüber: „Von der Alternative Bio-Palmöl halte ich ehrlich gesagt nichts. Es mag zwar einige ganz wenige Kooperativen geben, die sozial und nachhaltig wirtschaften, aber die Realität des Bio-Palmöls sieht anders aus. Nachdem Borneo nun zur Hälfte, Malaysia fast komplett abgeholzt ist, machen die jetzt in Südamerika und Afrika weiter; vorneweg die RSPO, die ihre Finger da im Spiel hat. Die Richtlinien für Nachhaltigkeit und Bio sind ein Witz. Die ‚Bio-Anbieter‘ argumentieren immer gerne mit den gleichen Floskeln.“

Aus diesen Gründen hat TOPAS noch nie Palmöl eingesetzt. Im April 2010 veröffentlichte unser Geschäftsführer Klaus Gaiser folgende Stellungnahme: „Durch verschiedene Nachrichten über den weltweiten verheerenden Ölpalmen-Anbau sensibilisiert, habe ich schon lange so sorgfältig wie möglich darüber recherchiert und feststellen müssen, dass es auch keine Bio-Anbauprojekte gibt, denen ich hundertprozentig hätte trauen können. Ich hatte stets die Befürchtung, dass hier Augenwischerei betrieben wird. Kein Beteiligter in der Handelskette bis zu uns Verarbeitern konnte diesen Restverdacht ausräumen. Deshalb haben wir bei TOPAS, der Firma hinter Wheaty, noch nie Palmöl eingesetzt – wie verlockend auch immer der Einsatz gewesen wäre.“

Schon allein aus dem Grund, dass das vorhandene, minimale Angebot an umwelt- und sozialverträglichem Palmöl, das es überhaupt gibt, die große Nachfrage nicht einmal im Bio-Bereich befriedigen könnte, sehen wir nicht nur im Verzicht auf Palmöl, wo immer das möglich ist, derzeit die einzige mögliche Konsequenz für eine Produktion von Lebensmitteln in größerem Stil, die unseren Ansprüchen genügen – lange Transportwege sollen vermieden, Urwälder erhalten, Menschenrechte unverletzt bleiben –, sondern sehen es auch als Pflicht an, die Verbraucher über die Folgen der Palmöl-Produktion aufzuklären. Da Palmöl in unserer Warengesellschaft inzwischen omnipräsent ist, ist es wichtig, über die genannten Folgen für Mensch, Tier und Umwelt zu informieren. Obwohl nach Aussagen vieler Hersteller Palmöl in der Lebensmittelproduktion nicht gut zu ersetzen sei, sind wir in der Lage, eine komplett palmölfreie Produktpalette anzubieten, und das kommunizieren wir auch, denn es gibt immer mehr Verbraucher, die bewusst auf Palmöl verzichten möchten und nach solchen Produkten suchen.