In einem offenen Brief an den Demeter-Vorstand forderte der vegan lebende Demeter-Gärtner Jakob Mannherz eine Öffnung des Verbandes für die nachhaltige und tierfreie biozyklisch-vegane Anbaumethode – wir berichteten. Es folgt ein exklusives Interview mit Jakob Mannherz.
Herr Mannherz, können Sie uns etwas über Ihren Hintergrund und Ihren Weg in die Bio-Branche erzählen?
Bis 2020 war ich als Maschinenbau-Ingenieur in der Automobilindustrie tätig, womit ich aber nicht sehr glücklich war. Der Betriebsleiter der Gärtnerei Moosfeld in Singen, Thomas Kessler, ein Familienfreund seit vielen Jahren, hatte schon lange einen Nachfolger gesucht, und so habe ich den Schritt gewagt und bin als Quereinsteiger in die Bio-Branche gewechselt.
Sie haben uns verraten, dass Sie immer Wheaty-Produkte im Kühlschrank haben. Wissen Sie noch, wann Sie Wheaty kennengelernt haben?
Bereits seit 2006 ernähre ich mich rein pflanzlich und bin davor auch schon als Vegetarier aufgewachsen. Ich habe die Wheaty-Produkte schon relativ früh kennengelernt, ich kann nicht mehr genau sagen, wann das war, aber sicher in den Nuller-Jahren. Heute habe ich immer fast immer Gyros, Super Griller und Superhero Burger im Kühlschrank. Besonders das Gyros muss in meiner Familie oft herhalten für eine schnelle, proteinreiche Mahlzeit. Aber auch die neuen Bratwürste in der pflanzlichen Pelle schmecken uns sehr gut, die bestelle ich regelmäßig bei unserem Großhändler Bodan. Im vegetarischen Café Sol in Konstanz gibt es die ungefähr weltbeste Currywurst, dafür werden auch die Super Griller verwendet, und zu meiner Schande muss ich gestehen, es ist mein Lieblingsessen – aber natürlich esse ich sonst auch sehr viel Gemüse aus meinem eigenen Anbau!
Was hat Sie dazu bewogen, zusätzlich zu den Demeter-Richtlinien auch nach den Richtlinien des biozyklisch-veganen Anbaus zu arbeiten?
Die Gärtnerei war schon seit 1988 nach den Demeter-Richtlinien zertifiziert. Durch meine persönliche Motivation als Veganer habe ich schon gleich zu Beginn, also nach einem Jahr mit Versuchen, 2022 komplett auf rein pflanzliche Dünger umgestellt; 2023 habe ich dann entschlossen, den Betrieb nach den Richtlinien des biozyklisch-veganen Anbaus zertifizieren zu lassen.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Vorteile des biozyklisch-veganen Anbaus gegenüber traditionellen bio-dynamischen Methoden?
Als Gärtnerei ohne eigene Nutztiere brauchen wir Methoden, um einem eigenen Hofkreislauf näher zu kommen, um so auf die Einfuhr von externen Handelsdüngern – insbesondere Tierreststoffe – zu verzichten. Hier bietet der biozyklisch-vegane Anbau vielversprechende Ansätze, besonders hervorzuheben ist die rein pflanzliche Kompostproduktion mit anschließender Veredelung zu biozyklischer Humuserde.
Welche Rolle spielt die Kompostwirtschaft in Ihrer Vision eines Demeter-Betriebs ohne Tierhaltung?
Pflanzen, insbesondere auch Leguminosen, können genug Stickstoff und Kohlenstoff aus der Luft binden, um einen Großteil des Nährstoffbedarfs unserer Gärtnerei zu decken. Durch die Kompostierung wird hochwertiger Dünger aus diesen Pflanzen. Natürlich brauchen wir auch noch weitere Nährstoffe wie Kalium, Schwefel, Calcium und Magnesium, denn jedes Gemüse, das unseren Hof verlässt, enthält Nährstoffe, die wir dem Boden wieder zurückgeben müssen. Ein vollständig gedachter Kreislauf müsste die Ausscheidungen und Überreste der Menschen wieder zurück auf die Felder bringen, denn die Nährstoffe, also Atome, verschwinden ja nicht, sondern gehen andere Verbindungen auf einem anderen Energie-Level ein. Da dies aber nicht erlaubt ist und auch nicht so appetitlich wäre, brauchen wir zusätzlich noch mineralische Dünger aus dem Bergbau. Hier steht noch viel Arbeit und Forschung an, um diesen Kreislauf für die Zukunft nachhaltig zu schließen. Dabei kann die Kompostwirtschaft eine große Rolle spielen.
Sie argumentieren, dass die gängige Praxis der Stickstoffdüngung mit Tierreststoffen wenig nachhaltig ist. Können Sie das für unsere Leser weiter ausführen?
Die Menge an Gemüse, die mit Tierreststoffen produziert wird, steht in keinem Verhältnis zu der Anzahl an Tieren, welche dafür getötet wurden. Folgendes Beispiel veranschaulicht das: Für den Bio-Anbau von einem Hektar Gemüse düngt man mit Horn – also gemahlene und pelletierte Hörner und Hufe – aus etwa 250 Kühen. Schätzungsweise 125 Personen können davon ein Jahr lang mit Gemüse versorgt werden. Somit müsste jeder dieser Konsumenten auch zwei Kühe im Jahr essen, das tun die Konsumenten aber nicht. Der Missstand wird auch dadurch offengelegt, dass diese Dünger in der Regel aus konventioneller Massentierhaltung aus dem außereuropäischen Ausland stammen, auch aus Südamerika. Man unterstützt damit eine nicht nachhaltige Tierhaltung, für die auch Regenwälder abgeholzt werden. Der gesamte Gemüseanbau in Deutschland könnte niemals so funktionieren.
Was sind die Hauptgründe, warum Demeter bisher eine Integration des biozyklisch-veganen Anbaus ablehnt?
Es wurde argumentiert, dass bei Demeter das Nutztier einen integralen Bestandteil des Stoffkreislaufs einnimmt, und es auch so beworben wird. Nach den aktuellen Richtlinien ist die Verwendung von tierischen Präparaten, welche immer das Töten eines Tieres voraussetzen, obligatorisch. Hier ist momentan der größte Knackpunkt bei der Doppelzertifizierung. Für mich als überzeugten Anhänger der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise ist aber nicht das Nutztier zentrales Element, sondern das Bestreben nach einem möglichst gesunden Hof-Organismus, der, so gut es eben nur geht, ohne die Einfuhr von externen Stoffen auskommt. Als Demeter-Mitglied möchte ich mich dafür einsetzen, dass das Demeter-Label nicht für Tierhaltung steht, sondern für die insgesamt nachhaltigste Bewirtschaftungsform durch effiziente Hof-Kreisläufe. Ob dabei Nutztiere eine Rolle spielen, muss jeder Betriebsleiter selbst entscheiden, ich möchte das niemandem vorschreiben. Generell habe ich aber gelernt, dass viele Veganer heute schon einen Bogen um Demeter und Bio-Gemüse allgemein machen, und ich sehe hier die Chance für den Verband, diese Kunden wieder zu gewinnen. Als Veganer könnte ich mit der Mistdüngung eher leben als mit der Düngung mit Tierreststoffen.
Wie können Bio-Landwirte und Verbraucher besser über die Vorteile und Methoden des bio-veganen Anbaus informiert werden?
Ich hoffe, dass wir durch die Marktdurchdringung mit unserem biozyklisch-veganen Label auf diese Anbauweise aufmerksam machen. Letztendlich muss aber der Handel das fördern und bewerben, aus Erzeugersicht ist es schwierig. Wir arbeiten daher mit unseren Großabnehmern Bodan und Naturkost Elkershausen zusammen, damit diese Produkte in Zukunft auch mit dem BVL-Label in den Angeboten ausgezeichnet sind.
Wie reagieren Ihre Kollegen und andere Mitglieder des Demeter-Verbandes auf Ihre Ideen und Vorschläge?
Natürlich hat meine Initiative für etwas Unmut bei meinen Kollegen gesorgt. Es ist so, dass im Moment schon viele Bio-Erzeuger unter wirtschaftlichem Druck stehen und schlechte Publicity nicht gerade zuträglich ist. Außerdem ist es von wirtschaftlicher Seite her gesehen am günstigsten, mit Tierreststoffen zu düngen. Der Demeter-Verband hat ohnehin schon beschlossen, ab 2030 keine konventionellen Handelsdünger mehr zu erlauben, man hat aber gehofft, das noch etwas weiter nach hinten zu verschieben; wenn diese Dünger nun stärker in die Diskussion und Kritik geraten, wird es aber schwierig, zu argumentieren.
Welche Vision haben Sie persönlich für die Zukunft der Landwirtschaft?
Die Landwirtschaft sollte ein in sich geschlossener Organismus sein, welcher ohne Raubbau an der Natur nachhaltig betrieben wird.
Gibt es noch etwas, das Sie unseren Lesern oder auch Ihren Kollegen in der Bio-Landwirtschaft mit auf den Weg geben möchten?
Liebe Kollegen, konzentriert euch auf eure eigenen Betriebe und steckt nicht so viel Energie in das Konkurrenzdenken. An die Leser: Ich möchte nur meinen Dank dafür zum Ausdruck bringen, dass sie sich mit diesem Thema beschäftigen!