Oft wird gefragt, weshalb vegane Alternativen Fleischprodukten nachempfunden sein müssen. Was nur Wenige wissen: Bei der Imitation von Fleisch durch Weizeneiweiß handelt es sich um eine bereits jahrhundertealte, originär vegetarische Tradition.
Weizen und Seitan
Heute bilden Weizen, Mais und Reis die Grundlage für die Ernährung der Weltbevölkerung. Die Kultivierung wilder Süßgrassorten begann schon früh: Getreidebau wird seit über 10.000 Jahren betrieben. Gerste und die Weizensorten Einkorn und Emmer waren die ersten vom Menschen gezielt angebauten Getreidearten, die aus Wildgräsern gezüchtet worden sind; Weizen ist somit die zweitälteste Getreidesorte. Vom sogenannten Fruchtbaren Halbmond, dem niederschlagsreichen Gebiet im Norden der arabischen Halbinsel, ausgehend, verbreitete er sich über die Welt. Das enthaltene Eiweiß einiger Getreidegattungen wie Weizen, Gerste, Dinkel oder Roggen, wird auch als Kleber oder Gluten bezeichnet. Lebensmittel aus gekochtem Getreideeiweiß wurden in China nachweislich schon vor fast 1500 Jahren hergestellt. Dort heißt Weizeneiweiß mian-jin, in Japan wird es traditionell mit der Silbe fu bezeichnet. Beim Wort Seitan – jener Bezeichnung also, die im Westen bekannt geworden ist – handelt es sich um einen Neologismus, der gerade einmal 56 Jahre alt ist und von Georges Ohsawa (1893-1966) geschaffen wurde. Der japanischstämmige Begründer der makrobiotischen Ernährungslehre hatte das fleischähnliche Produkt zusammen mit einem seiner Schüler, Kiyoshi Mokutani, entwickelt – dieser war Leiter der Marushima Shoyu Company, die dann im Jahr 1962 erstmals ein Weizeneiweiß-Erzeugnis unter dem Namen „Seitan“ auf den Markt brachte. Das Wort verweist auf den Hauptbestandteil des Produkts: Protein. In den Westen importiert wurde das Produkt der Marushima Shoyu Company zum ersten mal um das Jahr 1969 von Erewhon, einer makrobiotischen Naturkostfirma in Boston.

Lehren vom langen Leben

Mian-jin: Frühe Geschichte in China

Fleischimitation: Eine jahrhundertealte Tradition

Entdeckung durch Wissenschaftler im Westen

Siebenten-Tags-Adventisten in Amerika entdecken Weizeneiweiß

Popularisierung von Seitan in Amerika und Europa

Getreide direkt verwerten
Die Makrobiotik Ohsawas setzt Vegetarismus nicht zwingend voraus, in Zen Makrobiotik heißt es: „Makrobiotik ist keine Art von Vegetarismus, der oft reine Sentimentalität ist. Wenn alle tierischen Eiweißstoffe vermieden werden, geschieht das aus biologischen und physiologischen Gründen. Es sollen denkende Menschen geschaffen werden“, und: „Sie brauchen tierische Nahrung nicht zu fürchten. Die Menge ist bestimmend.“
Zum Ende der Ming-Dynastie (1368-1644) sollte Reis dann ungefähr 70 Prozent allen angebauten Getreides ausmachen, Weizen den Großteil des Restes.
In China gibt es bis zum Jahr 1800 über 25 erhaltene Erwähnungen von Weizeneiweiß. Die ersten handschriftlichen Kochrezepte mit Weizeneiweiß in Japan, die im Rahmen einer Anleitung zur Zen-Kochkunst gemacht wurden, stammen aus dem Jahr 1790.
Dazu siehe auch unseren offenen Brief an Öko-Test.