Schmutziges Öl warum wir auf Palmöl verzichten

Schmutziges Öl warum wir auf Palmöl verzichten

Wheaty verzichtet seit jeher konsequent auf Palmöl – das billige, für Lebensmittelhersteller sehr bequeme Fett war uns nie geheuer, auch nicht in der Bio-Variante. Wir haben eine umfangreiche Recherche zum Thema durchgeführt, die unsere Vorsicht bestärkt hat.

Als erster Europäer berichtete der portugiesische Seefahrer Gil Eanes 1443 von Ölpalmen; er schaffte es als erster, das an der südmarokkanischen Küste liegende Kap Bojador zu umfahren, das im europäischen Mittelalter als Ende der befahrbaren Meeresgebiete galt – südlich davon, so glaubte man, würde in einer kochenden See alles Leben durch die Sonne ausgelöscht. Eanes bewies das Gegenteil. Auf einem Denkmal in seiner Geburtsstadt Lagos steht deshalb geschrieben: „Er öffnete das alte Meer dem modernen Menschen.“ Unter den „modernen Menschen“ ist Palmöl inzwischen in aller Munde – im wahrsten Sinne des Wortes, denn es befindet sich nicht nur in Waschmitteln, Seifen, Kerzen und Kosmetikprodukten, sondern auch in zahlreichen Lebensmittelerzeugnissen. Mit fatalen Folgen in anderen Teilen der Welt.

Saison der Hackmesser

Nach einem westafrikanischen Mythos schuf ein Gott einst ein Menschenpaar. Da es auf der Erde nichts zu essen vorfand, machte er einen Graben in die Erde, füllte ihn mit Wasser und pflanzte einen Palmkern; dann belehrte er die Menschen, wie sie die Ölpalme zur Nahrung gebrauchen konnten. Die Erzählung spiegelt den hohen Stellenwert der Ölpalme in der traditionellen Kultur Westafrikas wider: Sie lieferte nicht nur Fett, sondern auch Gemüse und Palmwein. Die Nutzung der Ölpalme bestand über lange Zeit im Einsammeln von wild wachsenden Beständen, ihre Zucht datiert aber bereits aus den Zeiten vor Beginn der europäischen Beherrschung dieser Gegenden. Doch erst die Kolonialmächte brachten die Pflanze nach Asien und Lateinamerika. Europäische Handelshäuser waren es auch, die in Indonesien und Malaysia die ersten Plantagen anlegten und dafür den Regenwald rodeten. Anfangs zeigte die europäische Industrie nur wenig Interesse für Produkte aus der Ölpalme – in England kam das erste Palmöl 1790 auf den Markt, und erst 1844 wurde das erste Palm- und Palmkernöl auf dem Kontinent eingeführt. Erst mit der Erfindung der Margarine um 1869 und der zunehmenden Verwendung pflanzlicher Fette für deren Herstellung erhöhte sich die Nachfrage und daraus folgend der Anbau der Ölpalme.

In Indonesien dauerte es, abgesehen von einigen wirtschaftlich misslungenen Kulturversuchen, bis 1911, ehe die Ölpalme in handelsmäßigem Ausmaß angepflanzt wurde, in Malaysia bis 1919. Mitte der 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts produzierte Malaysia 265.000 und Indonesien 188.000 Tonnen Palmöl. Über viele Jahre führte Malaysia die Produktion weltweit an.

Doch schon bahnte sich die Katastrophe an, die ökologisch und kulturell auch das Nachbarland Indonesien beschädigen sollte: Im Jahr 1965 putschte das Militär unter Führung von Haji Mohamed Suharto, der das Land bis 1998 diktatorisch regieren sollte. Während der Machtergreifung beging die Armee einen der schlimmsten Massenmorde des 20. Jahrhunderts – sie selbst bezeichnete das Massaker als „Musim Parang“, das bedeutet „Saison der Hackmesser“. In Suhartos Herrschaftszeit fallen außerdem die völkerrechtswidrige Besetzung Osttimors 1975 und die anschließenden Massaker dort sowie die Vertreibung und Ermordung von einheimischen Papua in West-Neuguinea. Gleichzeitig betrieb die Regierung die Ansiedlung moslemischer Indonesier in der in „Irian Jaya“ umbenannten Provinz sowie eine rücksichtslose wirtschaftliche Ausbeutung der reichen natürlichen Ressourcen. Mithilfe ihm verbundener Konzerne und ausländischer Investoren verfügte Suharto 1985 die Industrialisierung der Palmölproduktion. Der Staat vergab riesige Holz- und Ölpalmkonzessionen in den Regenwaldgebieten – die Katastrophe nahm ihren Lauf.

Wichtigster Handelspartner Indonesiens unter Suharto waren die USA, und auch zu Deutschland baute der Diktator gute Beziehungen auf – mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl entstand eine lebenslange Freundschaft. Dem Konzern Sinar Mas, der für die Zerstörung von hunderttausenden Hektar Regenwald verantwortlich ist, hat die Regierung Kohl in den 90er Jahren Staatsgarantien – so genannte Hermes-Bürgschaften – über eine Milliarde DM gewährt. Rot-Grün bewilligte weitere 500 Millionen DM Exportbürgschaften für Maschinenlieferungen. Seit 2002/03 steigerte Indonesien seine Produktion um 66 Prozent und überholte im Wirtschaftsjahr 2005/06 den Marktführer Malaysia.

Eine Palmfrucht. Foto: BOS

Palmöl: In aller Munde

Im Jahr 2005 war es auch, dass Palmöl erstmals zum weltweit wichtigsten Pflanzenöl aufstieg. Ein Drittel des weltweiten Konsums an pflanzlichem Öl stammen inzwischen aus der Palmfrucht, rund eine Million Tonnen Palmöl werden allein pro Jahr in Deutschland verbraucht. Produziert werden derzeit gut 50 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: 2001 waren es noch 25,6 Millionen. Der viel kritisierte Biosprit macht dabei bislang „nur“ einen fünfprozentigen Anteil bei der Palmölproduktion aus – dennoch gilt: Auch deutsche Autofahrer sind an der Vernichtung von Urwäldern beteiligt, da der beigemischte Pflanzen-Diesel nach einer Analyse von Greenpeace im Schnitt zehn Prozent Palmöldiesel enthält. Zu über 90 Prozent aber landet Palmöl in Verzehrs- und Gebrauchsartikeln wie Kosmetika und Waschmitteln. Allein der Lebensmittelkonzern Nestlé verbraucht jährlich 320.000 Tonnen. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass 2030 doppelt so viel angebaut werden wird wie heute. Palmöl zu vermeiden ist fast unmöglich: Der 26-jährige Geochemie-Doktorand und Öko-Aktivist Adrien Gontier aus Straßburg hat ein Jahr lang auf Palmöl verzichtet – dabei musste er sich selbst sein Shampoo selbst mixen: In den im Handel erhältlichen Sorten steckt nahezu ausnahmslos Palmöl. In Lebensmitteln versteckt sich Palmöl meist hinter Bezeichnungen wie „pflanzliche Öle und Fette“. Die EU hat zwar im letzten Jahr eine Kennzeichnungspflicht beschlossen, doch es gilt noch eine zweijährige Übergangsfrist. Bis dahin kann man davon ausgehen: In Produkten, bei denen unter Zutaten Pflanzenfett aufgeführt wird, wurde mit großer Wahrscheinlichkeit Palmöl verwendet.

Palmöl hat für Lebensmittelhersteller unschlagbare Vorteile: Es ist ausgesprochen hitzestabil, gibt vielen Produkten durch seine Schmelzeigenschaften ein gutes Mundgefühl und ist vor allem das mit Abstand billigste Pflanzenöl – keine andere Wirtschaftspflanze produziert so viel Öl pro Hektar. Die Früchte werden gekocht, das Öl wird aus dem Fruchtfleisch gepresst und geklärt. Dabei fallen allerdings Abwässer mit großem Anteil an organischen Stoffen an, bei deren Verrottung riesige Mengen des Treibhausgases Methan entstehen. Die Ölpalme braucht außerdem viel Wasser, wodurch die Böden ausgetrocknet werden. Pestizide und Kunstdünger vergiften das Grundwasser und die Flüsse. Und: Um Ölpalmen anzupflanzen, werden gigantische Regenwaldflächen abgeholzt.

Eine Palmölplantage. Foto: BOS

Apokalypse im Urwald

Die Ausweitung der Palmölplantagen nimmt dramatische Ausmaße an, 2026 sollen nach Plänen der indonesischen Regierung 26 Millionen Hektar bepflanzt sein. Um die Dimensionen zu verdeutlichen: Die Schweiz besitzt lediglich eine Fläche von 4,1 Millionen Hektar. Ölpalmen können rund um den Äquator zwischen dem zehnten nördlichen und südlichen Breitengrad gedeihen, aber ein Großteil der Weltproduktion, fast 90 Prozent, stammt aus Indonesien und Malaysia. Und allein in Indonesien, wo 45 Millionen Menschen in Wäldern leben, hat die Palmölindustrie über 5000 Land- und Menschenrechtskonflikte verursacht. Um Platz für Palmölplantagen zu schaffen, werden die Menschen mit Gewalt vertrieben. Im August 2011 etwa zerstörten Sicherheitskräfte des weltweit größten Palmölproduzenten Wilmar International Limited, der internationale Konzerne wie Unilever, Nestlé und Cargill beliefert, zusammen mit indonesischen Polizeibrigaden das auf Sumatra gelegene Dorf Sungai Beruang.

Dabei wurde mit scharfer Munition auf die Dorfbewohner geschossen. Grund für den Überfall war der Widerstand der Menschen gegen den Landraub und den Verlust ihrer Lebensgrundlage. Das Kapital, ohne das die Regenwaldzerstörung unmöglich wäre, kommt hauptsächlich aus Europa, Nordamerika und Ostasien – die Euros, Dollars und Yen finanzieren eine ökologische Katastrophe schlimmster Art.

Die Journalistin Christiane Zander hat die Tragödie der Regenwaldbewohner auf Borneo und Sumatra miterlebt. Ihre Schilderungen sind bedrückend: „Der Morgen nach der Feuernacht enthüllt ein Schreckensbild: dichter Qualm wabert über Ödnis, die gestern ein Wald voller Leben war. Hardi Baktiantoro tritt auf die Bremse und springt aus dem Wagen. Die Flammen haben ganze Arbeit geleistet, Arbeit zugunsten eines Palmölkonzerns. ,Immer wieder brennen unsere Wälder‘, sagt Hardi und zweifelt keine Sekunde an einem Verbrechen. Zu oft hat er sein Land in Flammen gesehen. Als Orang-Utan-Retter bei COP, dem Centre for Orangutan Protection, eilen Hardi und seine Kollegen auf Borneo seit Jahren von Brandherd zu Brandherd. ,Viele dieser Feuer werden gelegt, um Land für Ölpalmenplantagen zu gewinnen. Das ist in Indonesien verboten. Deshalb brennt der Regenwald nachts.‘ Wieder sind ungezählte Tiere in den Flammen verbrannt.“

1997 und 1998 kamen etwa 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus den brennenden indonesischen Dschungeln. Zwei Großfeuer töteten damals etwa ein Drittel aller Orang-Utans auf Borneo. Dabei ist der Einsatz von Brandrodung zur Landgewinnung bereits seit 1995 verboten. Aber niemand beachtet das Gesetz. Eine Feuerwalze frisst sich durch den Regenwald, die gewaltige, sogar aus dem Weltraum sichtbare Rauchwolken aufsteigen lässt. Der Rauch der brennenden Urwälder macht Menschen und Tiere krank. Die Plantagen sind grüne Wüsten, in denen kein Leben mehr herrscht. Nicht selten verirren sich halb verhungerte Orang-Utans, oftmals schon lange auf der Flucht vor den vorrückenden Holzfällertrupps, in sie – und werden als Schädlinge gejagt und getötet.

Orang-Utan-Waise. Foto: BOS

Das Ende der Waldmenschen

Wie alle Menschenaffen, so sind auch Orang-Utans mit ihrer Ausrottung konfrontiert. Schätzungen zufolge entspricht der verbliebene Rest des roten Affenvolkes ungefähr einem Prozent des Bestandes während der Blütezeit dieser Primaten – und Jahr für Jahr schrumpft er um weitere zehn Prozent. Wie fossile Funde zeigen, gab es eine Zeit, in welcher sie, in ihrem Körperwuchs größer als heute, in ganz Südostasien verbreitet waren, inzwischen gibt es sie nur noch auf Borneo und Sumatra, zwei der insgesamt rund 17.000 Inseln des indonesischen Archipels. Laut den Vereinten Nationen besteht die Gefahr, dass es 2020 keine Orang-Utans außerhalb der Schutzgebiete mehr geben wird. Zwei Jahre später, so wird derzeit prognostiziert, sind vom artenreichsten Regenwald der Welt 98 Prozent abgeholzt.

Der Dayak-Häuptling Sina Sinam erzählt, wie vor über hundertzwanzig Jahren die ersten weißen Holländer in die Stammesgebiete der Bevölkerung Borneos eindrangen: „Wir kämpften gegen die Fremdlinge, versenkten ihre Schiffe und weigerten uns, mit ihnen Handel zu treiben“ – vergeblich. Doch noch Mitte der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts war Borneo vollkommen mit Regenwald bedeckt, und selbst in den 80er-Jahren war der Dschungel noch zu drei Vierteln intakt. Zwischen 1985 und 2005 aber verlor die Insel im Schnitt etwa 850.000 Hektar Regenwald pro Jahr – zusammengerechnet sind das rund 17 Millionen Hektar, was der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands entspricht. Heute muss Sina Sinam feststellen: „Der Wald, in dem unser Volk seit Menschengedenken gelebt hat, ist verschwunden.“ Immerhin: „Die Borneo Orangutan Foundation (BOS) gibt uns Arbeit in Baumschulen, an Fischteichen und bei der Rettung der vielen heimatlosen Orang-Utans, die in den Palmölplantagen herumirren. Drei von meinen zehn Kindern sind bei der BOS angestellt. Die Arbeit hilft uns sehr und BOS schützt jetzt einige unserer Inseln. Früher haben wir den Orang-Utans die Köpfe genommen und für unsere Rituale benutzt; aber heute haben wir erkannt, dass die Orang-Utans und wir Leidensgenossen sind. Auch wir werden ohne den Regenwald nicht überleben können.“

Die BOS – inzwischen das weltweit größte Primatenschutzprojekt – hat es sich zur Aufgabe gemacht, zusammen mit der indonesischen Bevölkerung die letzten Orang-Utans und ihren Lebensraum zu schützen. Ihr Gründer Willie Smits berichtet: „Die Orang-Utans, die wir aufgreifen, sind fast immer krank oder behindert. Meistens kommen sie infiziert mit Parasiten, oder sie leiden an Hepatitis oder Tuberkulose.“ Andere sind, am ganzen Körper glatt rasiert, als Prostituierte angeboten worden. „Es ist auch passiert, das Orang-Utans die Hand nach islamischem Recht abgehackt wurde, weil sie etwas von einem Küchentisch stehlen wollten“, erzählt Smits.

Den „Waldmenschen“ (malaiisch „orang“: „Mensch“, „utan“: „Wald“), deren Erbgut zu 97 Prozent mit dem unseren übereinstimmt, droht die endgültige Vernichtung – und mit ihnen werden 222 Säugetierarten, 400 Reptilien- und Amphibienarten, 420 Vogelarten, 349 Fisch- und 40 Schmettelringsarten auf Borneo ausgelöscht werden. 44 Säugetiere, 37 Vögel, 19 Fische und vier Schmetterlinge sind endemisch – es gibt sie nur dort.
Auf Sumatra ist die Lage noch ernster als auf Borneo. Die Zahl der roten Primaten ist in den 15 Jahren zwischen 1990 und 2005 um die Hälfte eingebrochen. Hardi Baktiantoro, der die COP im Jahr 2007 gegründet hat, berichtet: „Wir sind dabei, das Symbol unseres Landes auszulöschen, den einzigen Menschenaffen Asiens. Jedes Jahr sterben bis zu 2.000 Orang-Utans durch Rodung, Wilderei und Tierhandel.“ Für ihn ist die Palmölindustrie die schlimmste Natur zerstörende Industrie der Welt – weil die ganze Welt dieses Öl begehrt.

Im 2007 erschienenen Orang-Utang-Report Die Denker des Dschungels wird berichtet: „Mit der großflächigen Zerstörung der einmaligen Wunder-Wälder geht ein makabrer ,Schlussverkauf‘ für die Tiere einher, die das Kettensägenmassaker überlebt haben.“ Entweder werden sie gleich vor Ort verhökert oder weggeschafft, um auf einem der Märkte verramscht zu werden, die ganz Südostasien mit Lebendware von der Roten Liste versorgen. „Wir erleben, wie Orang-Utans verschleudert, verstümmelt, gequält und getötet werden. Und immer wieder wird offenbar, dass die Verelendung der Natur die der Menschen nach sich zieht.“

Die Insel Sumatra, auf der die industrielle Palmölgewinnung in Indonesien begann, war der erste Hotspot der Regenwaldvernichtung. In der Provinz Jambi ist vom Urwald nichts mehr geblieben – 15 Prozent macht er noch aus, verteilt auf kleine Schutzinseln. Jambi ist fest in der Hand der Palmölkonzerne. „Es gibt hier nicht mehr genug Land, um Nahrungsmittel anzubauen“, sagt Feri Irawan von der Umweltschutzorganisation Walhi – sie ist der indonesische Zweig von Friends of the Earth. „Früchte sieht man kaum noch auf den Märkten, das meiste wird importiert. Ein Kilo Litschis kostet mehr als ein Drittel eines Tageslohns. Und auch das Palmöl zum Kochen kann sich hier kaum noch jemand leisten. Der Weltmarkt hat die Preise in die Höhe getrieben.“ Die Palmöl-Industrie bringt noch nicht einmal Arbeitsplätze: Es gibt Studien, denen zufolge pro Hektar Plantage nur 0,12 Arbeitsplätze entstehen, in der Regel miserabel bezahlt und wegen der Pestizidbelastung gefährlich. Durch Mechanisierung fallen auch diese Jobs zunehmend weg. Der 27-jährige Mino versprüht in einer Plantage Tag für Tag das Monsanto-Herbizid Roundup – ohne Schuhe, geschweige denn mit Schutzkleidung oder Atemmaske. Im Monat verdient er umgerechnet 22 Euro – das reicht gerade so zum Überleben mit täglich dreimal Reis. Den Autoren des Orang-Utan-Reports berichtete er, wie er sich kürzlich mit Fleisch satt essen konnte: Es gab Orang-Utan. Die Mutter wurde in der Küche des Camps gekocht, ihr Baby wurde klein gehackt, mit dem Insektizid Dimec vermischt und als Giftköder für Wildschweine ausgelegt, die nachts immer wieder die Plantagen verwüsten.

Umwelt- und sozialverträgliches Palmöl?

2004 hat der Umweltverband WWF den Round Table of Sustainable Palmoil (RSPO) gegründet, in dem Palmölproduzenten und -händler, Investoren sowie Nichtregierungsorganisationen darüber beraten, Palmölproduktion sozial und ökologisch nachhaltiger zu gestalten und ein Siegel für Öl zu entwickeln, das diesen Kriterien entspricht. Inzwischen hat der Runde Tisch über 600 Mitglieder, die meisten aus der Palmölindustrie. Die Vorgaben lassen genügend Schlupflöcher, um mit der gängigen Praxis fortzufahren – das zeigt schon der Umstand, dass Wilmar International RSPO-Mitglied ist. Friends of the Earth Netherlands werfen dem Konzern in einer im Juli 2007 veröffentlichten Studie vor, Waldbrände zu legen und die Rechte der Lokalbevölkerung in Indonesien zu verletzen, Robin Wood schreibt, Brandrodungen und Überfälle auf die indigene Bevölkerung Sumatras gehörten zum Alltag von Wilmar. Die Umwelt- und Naturschutzorganisation urteilt: „De facto verleiht der RSPO dem schmutzigen Palmöl einen grünen Anstrich!“ Diese Haltung teilen 255 weitere Umweltorganisationen weltweit.

Das auflagenstärkste deutsche Naturkostmagazin Schrot & Korn macht in seiner aktuellen Ausgabe darauf aufmerksam, dass selbst der WWF inzwischen eingestehe, dass „die Mitgliedschaft im RSPO allein kein verantwortliches Handeln“ belege.

„Es gibt keine umweltverträgliche Produktion von Palmöl“, sagt Orang-Utan-Retter Hardi Baktiantoro. „Wer das behauptet, will sein blutiges Geschäft grünwaschen. Mit ihren sogenannten Nachhaltigkeitssiegeln hängen sich die Palmölfirmen grüne Mäntel um, damit die Geschäfte weiterhin blühen. Und in den Regierungen der Welt finden sie willige Geschäftspartner, die sie letztendlich zu ihren Komplizen machen.“ Der COP-Chef bleibt dabei: „Ob mit oder ohne Siegel: Palmölplantagen bedeuten den Tod für unsere Urwälder mit ihren Elefanten, Tigern und Orang-Utans. Und Elend für unzählige Menschen.“

Bei RSPO-Öl handelt es sich um konventionelles Öl, das unter Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden produziert wird. Doch wie steht es mit Bio-Palmöl? Auch die Biobranche setzt auf Palmfett: In weit über 400 Bioprodukten ist es enthalten – nicht in den Wheaty-Produkten, aber auch in Fleischalternativ-Produkten anderer Hersteller. Bio-Palmöl kommt nicht aus Südostasien, sondern fast ausschließlich aus Südamerika und wird von zwei ursprünglich konventionell erzeugenden Palmölproduzenten, die Anfang der 1990er-Jahre mit dem Öko-Anbau begannen, hergestellt: Daabon in Kolumbien und Agropalma in Brasilien. Daabon, mit einem Anteil von 70 Prozent der größte Bio-Palmöllieferant der Welt, bewirtschaftet inzwischen all seine Plantagen ökologisch, betreibt aber gleichzeitig eine konventionelle Biodiesel-Raffinerie – rund 40 Prozent der Palmöl-Ernte gehen in Diesel-Tanks. Agropalma bewirtschaftet nur ein Zehntel seiner Flächen ökologisch.

Siehe auch: Ist Bio-Palmöl besser?

Für Bio-Palmöl darf zwar kein Regenwald weichen, verschiedene Nichtregierungsorganisationen trugen in den letzten Jahren aber Fakten zusammen, die auch im Rahmen von ökologischer Landwirtschaft angebautes Palmöl in einem negativen Licht erscheinen ließen. Das Ergebnis war ein kritischer ARD-Bericht über Ölpalmen-Anbau und Landvertreibung in der Region Süd-Bolivar, der im März 2010 ausgestrahlt wurde. Daabon wurde beschuldigt, mitverantwortlich an der Vertreibung von Bauern zu sein. Die Organisation Rettet den Regenwald e.V. schreibt sogar, sie habe im Zusammenhang mit der Daabon-Gruppe „schwere Unfälle und Leckagen, Wasservergeudung, Umweltverschmutzung, Rodungen und Landvertreibung von Kleinbauern festgestellt.“ Weiter heißt es: „Auch hier dehnen sich die riesigen Ölpalm-Monokulturen auf tausenden Hektar Land aus. Die verdienen nach Ansicht von Rettet den Regenwald auf keinen Fall ,Bio’siegel für ,ökologische‘ Landwirtschaft und ,Fair Trade‘.“

Orang-Utan-Baby. Foto: BOS

Fleischalternativen ohne Palmöl

TOPAS setzt konsequent auf Nachhaltigkeit: Lange Transportwege werden vermieden, Urwälder bleiben erhalten, Menschenrechte unverletzt. Auf viele Rohstoffe, die diese Vorgaben nicht erfüllen, verzichten wir deshalb, obwohl sie zur Herstellung gut geeignet wären. In diese Kategorie fällt auch Palmöl. Es wäre zwar günstig und ist am Markt sehr gut verfügbar, unsere Recherchen konnten uns aber nicht davon überzeugen, dass Palmöl unseren Standards gerecht werden kann. Durch verschiedene Nachrichten über den verheerenden Ölpalmen-Anbau sensibilisiert, haben wir bereits früh sorgfältig darüber recherchiert und feststellen müssen, dass es auch keine Bio-Anbauprojekte gibt, denen wir hundertprozentig hätten trauen können. Kein Beteiligter in der Handelskette bis zu uns Verarbeitern konnte diesen Restverdacht ausräumen. Deshalb haben wir noch nie Palmöl eingesetzt – wie verlockend auch immer der Einsatz gewesen wäre. Für unsere Produkte setzen wir in erster Linie Sonnenblumenöl ein, das aus Ländern wie Frankreich, Italien, Österreich, Ungarn und Rumänien stammt, wo die idealen klimatischen Anbaubedingungen für High-Oleic-Sonnenblumen herrschen. Nach der Ernte werden die Sonnenblumen nach Süddeutschland gebracht und durch ausschließlich mechanisches Pressen und einer schonenden Raffination zu einem hochwertigen Öl verarbeitet, welches konsequent vegan ist: Aus viehlosem Öko-Anbau, ohne Einsatz tierischer Dünger – im Gegensatz übrigens zum Bio-Palmöl: Auf den Daabon-Plantagen wird die Ernte mit Karren vom Feld geholt, die von Wasserbüffeln gezogen werden, mit dem Mist der Büffel wird der Boden gedüngt. Wo aus lebensmitteltechnologischen Gründen kein Sonnenblumenöl eingesetzt werden kann, verwenden wir kein Palmöl, sondern das teurere, aber ökologisch unumstrittene Bio-Kokosfett, das aus dem getrockneten Kernfleisch von Kokosnüssen gewonnen wird – dies betrifft vor allem unsere ungekühlt haltbaren Produkte, wie die Spacebars. Kokosfett hat zwar einen niedrigeren Schmelzpunkt als Palmfett, aber Extremsportler, welche die Spacebars schätzen, berichteten uns: Selbst in der heißen Wüstensonne der Sahara sind sie fehlerfrei zu genießen.

BOS Deutschland macht übrigens darauf aufmerksam, dass im Zusammenhang mit Palmöl auch der Konsum von Fleisch reflektiert werden sollte: Ein Kilogramm Fleisch bedeute im Durchschnitt ungefähr zehn Kilogramm Futtermittel, welche das Tier zuvor verbraucht habe, darunter auch Fette. Und nach dem BSE-Skandal werde in der Regel auf pflanzliches Fett zurückgegriffen – und das günstigste Pflanzenfett ist eben Palmöl.

Fotos: BOS Deutschland / TOPAS GmbH

Quellen: